Der deutsche Galopprennsport wurde im Jahr 2022 200 Jahre alt. Am 10. August 1822 fanden auf der Doberaner Rennbahn die ersten Galopprennen mit Vollblütern in Deutschland statt, 26 Jahre, bevor mit dem ersten Turntag der Deutsche Turnerbund gegründet wurde. Damit ist der Galopprennsport die älteste organisierte Sportart in Deutschland.
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Der Galopprennsport ist die älteste organisierte Sportart in Deutschland und feiert in diesem Jahr sein 200. Jubiläum. Denn vor über 200 Jahren, am 10. August 1822, fanden in Doberan an der Ostsee die ersten Galopprennen mit Vollblütern statt. Ziel der Rennen war die Zuchtverbesserung der Rasse „Englisches Vollblut“. Daran hat sich bis heute nichts geändert, denn auch 200 Jahre später hat der Dachverband Deutscher Galopp e.V. als oberstes Ziel festgeschrieben: Zuchtauswahl und Zuchtverbesserung durch Leistungsprüfungen - so wie es der staatliche Auftrag des Tierzuchtgesetzes vorsieht und wie es die Rennen in Doberan vormachten.
Um das 200-jährige Jubiläum gebührend zu feiern, gab es das gesamte Jahr 2022 für Interessierte, Aktive, Freunde und Fans des Galoppsports Feiern und Partys auf den deutschen Galopprennbahnen. Von Hamburg und Hannover bis Baden-Baden und München, von Düsseldorf und Köln bis Leipzig und Dresden. Knapp dreißig Rennvereine haben sich im kleineren oder größeren Rahmen an dem runden Geburtstag beteiligt.
Zur Durchführung der Leistungsprüfungen wurden die Rennvereine geschaffen. Am 13. August 1822 gründete sich der Doberaner Rennverein, dessen erster Präsident der spätere Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg wurde. 1828 folgte in Berlin der nächste Rennverein, in den 1830er-Jahren kamen zahlreiche weitere hinzu.
Der älteste durchgehend bestehende Rennverein ist der „Düsseldorfer Reiter- und Rennverein von 1844“, der am Wochenende 9./10. April 2022 mit vielen Aktivitäten das 200-jährige Jubiläum des deutschen Galopprennsports einläutete.
1858 ließ der französische Spielbankpächter Edouard Bénazet die Rennbahn in Iffezheim bei Baden-Baden bauen. Am 17. Mai 1868 wurde die Rennbahn Hoppegarten im Beisein des späteren Kaisers Wilhelm I. offiziell eröffnet und entwickelte sich schnell zu einer der bedeutendsten Galopprennbahnen Europas.
Anfang des 20. Jahrhunderts schossen die Rennvereine fast wie Pilze aus dem Boden, 1912 wurden mehr als einhundert Rennbahnen in Deutschland gezählt. Der Erste, aber vor allem der Zweite Weltkrieg stellten eine Zäsur dar. In der ehemaligen DDR wurde in Leipzig am 12. August 1945 wieder ein Renntag veranstaltet, im Westen begann der Neustart in München im April 1946.
Köln entwickelte sich zur führenden Trainingszentrale, Hamburg blieb die Stadt, in der alljährlich das Deutsche Derby für dreijährige Hengste und Stuten ausgetragen wird. In Dortmund entstand 1980 die erste Allwetterbahn in Europa, die auf Sand und unter Flutlicht auch Rennen im Winter ermöglichte.
Nach der Wiedervereinigung rückte vor allem Berlin-Hoppegarten mit seinen sportlichen Highlights wieder stärker in den Fokus. Große internationale Anerkennung fand 2021 der LONGINES 131. Großer Preis von Berlin (Gr. 1, 2.400 m), der in die Top 100 der weltweit besten Rennen aufgenommen wurde. Als führende deutsche Rennbahn wird nach Wettumsatz, aber auch aus sportlicher, gesellschaftlicher und internationaler Sicht Baden-Baden mit seinen Meetings im Frühjahr, Sommer und Herbst angesehen.
Im Jubiläumsjahr werden rund dreißig Rennvereine insgesamt 136 Renntage veranstalten.
Das Wetten spielte schon immer eine zentrale Rolle im Galoppsport. Bis heute ist der Wettumsatz eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Rennvereine zur Finanzierung der Rennen, neben den Sponsoren- und Eintrittsgeldern. Die ersten gewerbsmäßigen Wettvermittler Mitte des 19. Jahrhunderts waren in Deutschland die Buchmacher. Sie boten dem Wetter einen Festkurs an, der im Erfolgsfall auszuzahlen war.
Nach französischem Vorbild wurde 1875 in Berlin ein Totalisator eingerichtet. Das bedeutet, die Wetteinnahmen fließen in einen Pool. Der Rennverein zieht eine Vermittlungsgebühr inklusive Steuern ab, die je nach Wettart zwischen 15 und 35 Prozent liegt. Der große Rest wird an die Gewinner ausgeschüttet. Das ist zum Beispiel deutlich mehr als beim Lotto. Dort behält der Staat fünfzig Prozent der Einnahmen ein, zum Beispiel zur Sport- und Kulturförderung.
Von 1905 bis 1922 waren Buchmacherwetten in Deutschland verboten, seitdem konkurrieren Toto und Buchmacher wieder miteinander. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich das Wettgeschäft zunehmend ins Internet verlagert. Für die Rennvereine bleibt aber der wettende Bahnbesucher besonders wichtig.
Obgleich die deutsche Vollblutzucht im internationalen Vergleich mit den großen Rennsportnationen wie England, USA oder Japan sehr klein ist, hat Deutschland immer wieder überragende Pferde hervorgebracht. Besonders deutlich wird das im wohl renommiertesten Rennen der Welt, dem Prix de l’Arc de Triomphe in Paris. Mit Star Appeal (1975), Danedream (2011) und Torquator Tasso (2021) haben drei in Deutschland trainierte Pferde den Arc gewonnen, die mit großen deutschen Gestüten wie Röttgen, Brümmerhof und Auenquelle in Verbindung stehen.
Rund um den Globus hat es immer wieder deutsche Erfolge in einigen der größten Rennen weltweit gegeben: Gestüt Ittlingens Lando im Japan Cup 1995 in Tokio, Gestüt Ammerlands Borgia in der Hongkong International Vase 1999, Gestüt Fährhofs Silvano 2001 in der Arlington Million in Chicago und im Queen Elizabeth II Cup in Singapur, Paolini von Carde Ostermann-Richter im Dubai Duty Free 2004, Georg Baron von Ullmann’s Shirocco im Breeder’s Cup Turf 2005 in New York oder Protectionist von Dr. Christoph Berglar im Melbourne Cup 2014.
Nicht vergessen darf man auch die großen Siege im Heimatland des Turfs: Im Coronation Cup in Epsom, der Stätte des Englischen Derbys, durch Gestüts Ammerland Boreal (2002) und Shirocco (2006). Und dann natürlich im weltberühmten Ascot in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes durch Danedream (2012) im Mitbesitz des Gestüts Burg Eberstein und Berglars Novellist (2013). Erwähnenswert ist sicher auch der Erfolg des im Gestüt Etzean gezogenen Don Cossack im Cheltenham Gold Cup (2016), der zu den wichtigsten Hindernisrennen der Welt zählt.
Wer über die großen vierbeinigen Stars aus Deutschland spricht, kommt an zwei weiteren Namen nicht vorbei (obwohl es noch ganz viele weitere vierbeinige Stars in der 200-jährigen Geschichte gibt!): Königsstuhl und Acatenango.
Königsstuhl aus dem Gestüt Zoppenbroich siegte 1977 im Henckel-Rennen, im Derby und im St-Leger und war damit das erste und einzige Pferd, das die „Dreifache Krone“ oder die deutsche „Triple Crown“, der sogenannten klassischen Rennen über Distanzen von 1.600 bis 2.800 m gewann.
Und da ist natürlich der weit über die Galoppszene bekannte Acatenango, der 1985, 1986 und 1987 zum „Galopper des Jahres“ gewählt wurde. Der Fährhofer legte eine Siegesserie von zwölf Rennen in Folge hin, gewann dabei unter anderem das Deutsche Derby, den Großen Preis von Baden und den Grand Prix de Saint Cloud in Frankreich.
Erst vor kurzem sorgte aber der Hengst Torquator Tasso für Furore: Der von Marcel Weiß in Mülheim an der Ruhr trainierte Ausnahmegalopper hatte 2021 als erst drittes deutsches Pferd den 100. Prix de l’Arc de Triomphe, das bedeutendste Galopprennen der Welt gewonnen. Nach einem Sieg im Hansa-Preis Anfang Juli 2022 in Hamburg lieferte der Hengst in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes in Ascot als Zweiter eine bärenstarke Leistung ab. Nach einem weiteren zweiten Platz im 152. Wettstar.de Grosser Preis von Baden ging es für den Star-Galopper aus dem Besitz des Gestüts Auenquelle zur Titelverteidigung am ersten Oktoberwochenende in Paris-Longchamp. Auch dort zeigte Torquator Tasso, dass er zu den Besten gehört und landete auf einem hervorragenden dritten Platz. Ab Frühjahr 2023 wird Torquator Tasso im Gestüt Auenquelle als Deckhengst eingesetzt werden. Aber schon jetzt ist ihm ein Platz in den Geschichtsbüchern als gewinnreichster Galopper aller Zeiten mit einer Gewinnsumme von 4,2 Millionen Euro sicher.
Der Trainer von Acatenango und Lando hieß Heinz Jentzsch. Geboren 1920 in Hoppegarten, gestorben 2012 in Baden-Baden rahmten zwei der wichtigsten deutschen Galoppstätten sein Vollblut-Leben ein. 31-mal wurde Jentzsch Trainer-Champion, mit 4.029 Siegen in knapp sechs Jahrzehnten ist er allein auf weiter Flur deutscher Rekordhalter.
Acht Derbysieger sattelte Jentzsch zwischen 1969 (Don Giovanni) und 1994 (Laroche), nur einen weniger als der Schlenderhaner Privattrainer Georg Arnull von 1927 (Mah Jong) bis 1949 (Asterblüte). Nachfolger von Jentzsch am Stall Asterblüte in Köln wurde 1998 Peter Schiergen. Als Jockey stellte Schiergen 1995 mit 273 Siegen in einer Saison einen neuen Europarekord auf, der mehr als zwanzig Jahre Bestand hatte. 1.451 Erfolge feierte er im Sattel, davon zwölf in Hindernisrennen.
Als Trainer steuert Schiergen, der im vergangenen Jahr sein sechstes Championat feierte, auf die magische 2.000 zu. Über 1.800 sind es bereits. Sechs Derbysiege (bis 2022) zählen dazu, noch bedeutender wiegen aber die Erfolge mit Danedream. „Das beste Pferd, das ich selbst im Rennen geritten habe, war Lomitas“, sagt Schiergen über den Fuchshengst, der den amerikanischen „Pferdeflüsterer“ Monty Roberts in Deutschland berühmt machte. Er half Lomitas, dem „Galopper des Jahres 1991“, seine Furcht vor der Startbox zu überwinden.
Schiergen ist der zweite Deutsche, der sowohl als Reiter als auch als Trainer mehr als 1.000 Siege erreicht hat. Vorgemacht hat es Hein Bollow, der 2020 im Alter von 99 Jahren gestorben ist. Als Jockey gewann Bollow 1.033 Rennen, zwischen 1953 und 1962 viermal davon das Deutsche Derby. Als Trainer kamen 1.661 Siege hinzu, darunter 1974 das Derby mit Marduk.
Derbysiege sind die Spezialität von Andrasch Starke. In Hamburg-Horn triumphierte der Jockey bereits acht Mal, erstmals 1998 mit Robertico, zuletzt 2021 mit Sisfahan. Er steht damit auf einer Höhe mit Georg Streit, der zwischen 1938 und 1961 acht Derbyerfolge einheimste.
Bei den Gesamtsiegen liegt Starke, dessen Namen immer mit Danedream verbunden sein wird, mit bislang 2.718 Treffern (Stand Ende September 2022) allein vorne. Er übertraf damit Peter Alafi (2.307 Siege), der mit Königsstuhl die „Dreifache Krone“ errang, und den früheren Rekordhalter Otto Schmidt (2.218), der zwischen 1912 und 1952 gleich 14 Mal Championjockey wurde.
Seine beiden Jockeys, Bauyrzhan Murzabayev und Sibylle Vogt „schrubben“ Jahr für Jahr aber Tausende an Kilometern mit ihren Autos weg. Auf diese hohe Zahl auf ihren Tachos kommen sie vor allem durch ihre ständigen Touren zu allen möglichen Rennbahnen in Frankreich. Bei ihrem Chef Peter Schiergen war das in jenem denkwürdigen Jahr, als er 1995 den von Sir Gordon Richards 1947 mit 269 Siegen aufgestellten Europarekord für heutige Verhältnisse unvorstellbaren 273 Saisonerfolgen brach, anders. Da ging es ausschließlich auf den deutschen Bahnen hin und her, aber im flotten Takt: Rennen an Sonntag, Mittwoch, Freitag und wieder Sonntag, manchmal kam auch noch der Dienstag dazu. Peter Schiergen ließ 1995 bei seiner Rekordjagd nur einen einzigen Renntag aus einem bestimmten Grund aus.
Erika Mäder, damals noch unter dem Mädchennamen Zöbisch, war eine von lediglich vier weiblichen Jockey-Auszubildenden in der damaligen DDR, in Hoppegarten lernte sie zu dieser Zeit ihren späteren Mann Lutz Mäder kennen. Ihr Wege trennten sich ein paar Jahre, dann trafen sie bei Staatstrainer Friedrich Müller in Leipzig wieder aufeinander. Anfang der siebziger Jahre hatten sie, gemeinsam mit Freunden nur noch ein Ziel: Den Weg in die Freiheit, sprich in den Westen, finden. Dafür zahlten beide einen hohen Preis. Lutz Mäder war durch die Donau nach Jugoslawien geschwommen, wurde dort aber verraten, musste zurück und saß ein Jahr im Gefängnis, ehe er ausgewiesen wurde. Seine spätere Frau Erika wurde beim Versuch in den Westen zu fliehen, ebenfalls verraten und musste für ein halbes Jahr in Untersuchungshaft und ein weiteres halbes Jahr in den strengsten Strafvollzug im Osten, ehe sie ebenfalls ausgewiesen wurde. Im Westen fanden beide schnell wieder zusammen und wurden ein Paar, das für enorm viele erfolgreiche Kapitel der deutschen Turfgeschichte steht.
„Hamburg – meine Stadt“, sang einst der kürzlich verstorbene Hamburger Sänger und Schauspieler Volker Lechtenbrink. Bei Andrasch Starke müsste man texten: „Hamburg – meine Bahn“. Der 48-Jährige, der 1974 in Stade bei Hamburg auf die Welt kam, ist bei der Derby-Woche nicht zuletzt dank seiner acht Erfolge im Blauen Band seit Jahrzehnten das populärste Gesicht des Rennsports. Daraus wird in diesem Jahr aus bekannten Gründen nichts.
Es war Ende der sechziger Jahre. Meine (PS) Rennbahnbesuche häuften sich, der Kauf der „Sport-Welt“ wurde zum Wochenende hin zur Selbstverständlichkeit, neben den Pferden und Reitern und natürlich den Wetten, tauchte man ein in die Welt der Besitzer und Züchter. Schlenderhan war das Maß der Dinge, die Farben vor allem von Zoppenbroich, Röttgen, Waldfried, Asta, Spaulding, Ostermann, Bona oder Ravensberg prägten die Rennen. Plötzlich tauchte „gelb-schwarz“ auf, mit rasantem Tempo, quantitativ und vor allem qualitativ mit einem großen Potenzial. Walther J. Jacobs hatte in Sottrum, unweit hinter Bremen, eine Vollblutscholle aufgebaut, die zur erfolgreichsten der Nachkriegszeit werden sollte: den Fährhof.
8. April 2022
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Quelle: Sorge
Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.